In den letzten Wochen haben wir uns viel mit dem Thema Green Buildings und den damit verbundenen Vorteilen auseinandergesetzt. Schon seit vielen Jahren arbeiten Architekt*innen intensiv daran, die Architektur und die Gebäude in den Städten grüner und somit nachhaltiger zu gestalten. Die Absicht von Green Buildings ist es, in Aspekten wie beispielsweise Lage, Materialien oder Stromversorgung ressourcenschonender zu sein.
Unser diesjähriges Webprojekt steht unter dem Motto: Soziale Innovationen. Wir stellen Projekte vor, die – oft mithilfe von innovativer Technologie – das Zusammenleben der Menschen verbessern möchten. Warum Green Buildings dazu gehören, möchten wir euch zeigen. Weitere Beiträge zu dem Webprojekt findet ihr hier.
WAS VERSTEHT MAN UNTER SOZIALEN INNOVATIONEN?
Wenn möglich, sollte man bereits bestehende Gebäude nutzen und diese nachhaltig umbauen.
Müll, der beim Bau entsteht, sollte in nützliche Baumaterialien umgewandelt werden. Um sich das besser vorstellen zu können: Ziegelsteine können zu Ziegelsand weiterverarbeitet und dann als Zusatzstoff für Mauersteine beigefügt werden. Was ebenfalls zur Reduktion von Müll beiträgt, ist die Verwendung von nicht trinkbarem Wasser wie aus Kläranlagen für die Toilettenspülung oder zur Bewässerung.
Zertifikate für Green Buildings
Nachdem wir feststellen konnten, was theoretisch alles getan werden kann, um ein Gebäude “grüner” zu kriegen, haben wir uns die Frage gestellt, wie viel denn getan werden muss, damit es offiziell als ein Green Building anerkannt wird. Wer bestimmt überhaupt, wann ein Gebäude wirklich “grün” ist? In unserer Recherche sind wir immer wieder auf verschiedene Zertifikate gestoßen, die Gebäuden ihre Nachhaltigkeit bescheinigen sollen. Weltweit gibt es bereits mehr als 40 verschiedene Zertifikate. Die wohl bekanntesten in Europa sind BREEAM, DGNB, LEED und HQE. Alle Zertifikate haben unterschiedliche Punktesysteme, um ein Objekt als Green Building einzustufen. Die Richtlinien sind häufig unklar und oft können es sich nur Großunternehmen leisten, die begehrten Siegel zu erhalten. Jedes Land verfügt über verschiedene Zertifizierungssysteme, die wiederum individuelle Kriterien für ein Zertifikat haben. Was in dem einen Land ein “Platin”-Siegel erhält, kann in dem anderen Land längst als Standard gelten. Ein EU-einheitliches Siegel würde für viel Klarheit sorgen. Da man bei den vielen verschiedenen Zertifikaten schnell den Überblick verlieren kann, ist es einfacher, sich vorzustellen, dass es im Ganzen drei verschiedene Dimensionen gibt, nach denen die Zertifikat-Aussteller ein Objekt bewerten[15]:
Und wer steckt nun hinter der Vergabe der Zertifikate? Im Falle von BREEAM handelt es sich um ein privates Wirtschaftsunternehmen und hinter dem LEED steht das U.S. Green Building Council[2]. Wenn man sich anschaut, was Branchenvertreter und die Presse zu den Zertifikaten schreiben, fällt auf, dass diese oft kritisiert werden[9]. Viele neue Bürogebäude schmücken sich mit nachhaltigen Zertifikaten, um eine Wertsteigerung zu erzielen[7][16]. Auch wenn die Zertifikate durchaus ein strenges Bewertungssystem haben und die Gebäude diese erfüllen, zeigt sich immer wieder, dass manche Unternehmen extra Geld ausgeben, um möglichst viele Zertifikate zu erhalten. Zudem gibt es viele Gebäude, die ebenfalls die Kriterien für ein Green-Building-Zertifikat erfüllen, für die es sich aber die Initiator*innen nicht leisten können[7].
Neben wirtschaftlichen Akteuren gibt es auch politische Institutionen, welche Siegel vergeben: Das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen ist eins der beliebtesten in Deutschland[16]. Es wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung entwickelt. Die Kriterien, die bei der Vergabe eine Rolle spielen, lauten: Ökologie, Ökonomie, Prozesse, soziale Aspekte, Standort und Technik. Neben Neubauten wird dieses Zertifikat auch an Infrastruktur-Bauten wie Tunnel vergeben[2]. Da wir nun wissen, dass zusätzliche Kosten mit dem Erwerb der Zertifikate verbunden sind, finden wir es fraglich, ob es dringend notwendig ist, den Titel Green Building aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Natürlich unterstützen wir die Themen, die sich für eine ressourcenschonende Lebensweise einsetzen und Green Buildings bringen diesen Aspekt mit sich. Was wir in Bezug auf die Zertifikate jedoch kritisch betrachten, ist der Aspekt, dass laut dem Pariser Klimaschutz-Abkommen von 2015 eine grüne Immobilie als eine 1,5-Grad-Immobilie eingestuft werden muss, um der Erderwärmung entgegenzuwirken und somit das Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung des Abkommens zu erfüllen. Allerdings sind die Zertifikate aktuell noch nicht aussagekräftig genug, um die Gebäude dementsprechend einzuschätzen[9].
Wie Staat und Banken Green Buildings fördern
Generell sieht man, dass der Trend zu Green Buildings rasant ansteigt. Während das globale Marktvolumen energieeffizienter Gebäude im Jahr 2020 rund 216 Milliarden Euro betrug, liegen die Prognosen für das Jahr 2030 bei 611 Milliarden Euro[3]. Die Zahlen zeigen mehr als deutlich, dass immer mehr Green Buildings gebaut werden.
Dass das Volumen steigt, hängt auch damit zusammen, dass viele Menschen sich immer häufiger dazu entscheiden, ihr Leben möglichst umweltschonend zu gestalten. Dazu zählen auch die Themen Wohnen und Bauen. Wer sich dazu entscheidet, sein Haus möglichst nachhaltig zu bauen, kann außerdem durch das Einreichen verschiedener Zertifikate bei verschiedenen Banken eine Art Öko-Kredit erwerben. Diese sind meistens zinsgünstiger als andere Kredite[8]. Neben diesen Krediten fördert auch der Staat Green Buildings mit der staatlichen Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau. Beim Bau eines Green Buildings kann man aber nicht nur aufgrund von Krediten Geld sparen, sondern auch durch moderne und umweltbewusste Baumaßnahmen. Durch diese können langfristig Strom- und Heizkosten reduziert werden[8]. Was man jedoch beachten sollte: Green Buildings müssen in der Regel auch strengere Vorschriften einhalten, die wiederum zusätzliche Kosten mit sich bringen und von dem Kreditnehmer bezahlt werden müssen.
Ein Beispiel für Green Buildings
Da es uns wichtig war, ein Green Building zu besuchen, sind wir nach Düsseldorf gefahren und haben uns den Kö-Bogen angeschaut. Der Kö-Bogen ist ein Gebäudekomplex, in dem sich Gastronomie, Büros und Einzelhandel befinden. Auf einem Gebäudeteil stehen circa 30.000 Hainbuchenhecken. Stellt man die Pflanzen nebeneinander, würde eine Strecke von 8 Kilometern entstehen! Bei der Wahl der Pflanzen stand im Fokus, dass sich das Erscheinungsbild des Gebäudes im Laufe des Jahres verändern
soll. Aus diesem Grund waren die Hainbuchenhecken die beste Wahl. Im Frühling leuchten diese hellgrün, im Sommer färben sie sich dunkelgrün und im Herbst goldbraun. Auch im Winter behalten sie ihre Blätter[10]. Neben den gestalterischen Aspekten war es genauso wichtig, dass die Pflanzen heimisch und leicht zu pflegen sein sollten. Noch wichtiger war, dass diese nicht giftig sind, Widerstandskraft gegen Schädlinge und Wind haben und nicht in die Fassadenkonstruktion eindringen.
Wie im Reel bereits angesprochen, ist eines der Ziele des Kö-Bogens, das Mikroklima der Stadt zu verbessern. Beim Bau wurden nach eigenen Angaben verschiedene umweltschonende Maßnahmen beachtet[10]. Eine davon ist das detaillierte Be- und Entwässerungskonzept. Im Idealfall werden die Pflanzen mit Regenwasser versorgt – über dem Gefäßbogen befindet sich eine Anstau-Schicht, in der das Regenwasser gespeichert wird. Da es heutzutage jedoch öfters Phasen der Trockenheit gibt, wurde eine Zusatzbewässerung installiert, welche den Bedarf der Pflanzen kontrolliert und sie dementsprechend mit Hilfe von Wasserschläuchen versorgt[10]. Der Kö-Bogen wirkt mit seiner Grünfassade als großflächiger Energiewandler. Gebäude heizen sich im Sommer meistens stark auf. Einen Teil der aufgenommenen Wärme speichern sie und geben diese nachts wieder ab – und so heizen sich die Innenstädte immer weiter auf. Wenn das der Fall ist, spricht man vom innerstädtischen Hitzeeffekt. Pflanzen hingegen sind bei einem intakten Wasserhaushalt jederzeit etwas kühler oder genauso kalt wie die Temperatur der Luft. Beim Kö-Bogen wird mit Hilfe der Pflanzen ungefähr die Hälfte der gesamten aufgenommenen Solarenergie in Wasserdampf und somit nicht in Heizenergie der Häuser umgewandelt[10]. So soll der Kö-Bogen gegen den innerstädtischen Wärmeeffekt wirken. Hinzu kommt die Regenwasserretention: Auch bei starken Regenfällen wird nur das, was die Pflanzen und Behälter nicht halten können, abgeleitet. Durch die Flächenversiegelung der Städte wird normalerweise der Wasserkreislauf unterbrochen und es kommt zu großen Wasseransammlungen – und damit zur Überlastung der städtischen Kanalisation. Beim Kö-Bogen hingegen wird die Lücke im Wasserkreislauf geschlossen[10].
Es gab während der Erbauung des Kö-Bogens Stimmen von anderen Architekt*innen, die das Projekt als kritisch sahen[11]. Der Architekt Walter Brunne sagte in der Rheinischen Post, dass das Konzept “nicht innenstadtgerecht“ ist, begründete seine Aussage jedoch nicht. Weiterhin sagte er, dass es aussähe “wie eine riesige Skirampe”[11]. Dies war jedoch der Fall, bevor die Hainbuchenhecken auf das Gebäude gestellt wurden. Ebenfalls konnte sich Brunne nicht vorstellen, dass die Pflanzen lange auf dem Gebäude überleben würden[1]. Quellen darüber, ob und wie viele Pflanzen bereits ausgetauscht wurden, gibt es nicht.
Für uns klingt das nach einem überzeugenden Konzept und wir finden persönlich auch, dass das Gebäude optisch gut in die Innenstadt reinpasst.
Weitere Informationen rund um den Kö-Bogen findest du auf der Website des verantwortlichen Architekturbüros Ingenhoven Architects.
Ausblick auf die Zukunft
Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt – und damit auch das nachhaltige Bauen. Immer mehr junge Menschen wollen sich in diesem Bereich fortbilden und einen Beruf wählen, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt. Auch Universitäten und Fachhochschulen reagieren auf die gestiegene Nachfrage. Mittlerweile bieten einige von ihnen Studiengänge rund um nachhaltiges Bauen an. Am Institut für Technische Gebäudeausrüstung der TH
Köln kann man zum Beispiel Green Building Engineering im Master studieren (M.Sc.)[4].
Natalie studiert aktuell im vierten Semester und würde den Studiengang allen empfehlen, die sich mit nachhaltiger Architektur auseinandersetzen möchten. Um etwas tiefer in die Materie einzutauchen und um uns zu zeigen, womit sich die Studierenden beschäftigen, hat Natalie uns ein bisschen über das Modul Vertical Farming erzählt. “Vertical Farmings sind landwirtschaftliche Betriebe, aber eben in Gebäuden”, so Natalie. Man versteht unter Vertical Farming die städtische Produktion von Lebensmitteln in Hochhäusern (vertikal), um den urbanen Raum nachhaltig zu nutzen. Ziel von Vertical Farming ist es, den Boden zu schonen, den Druck auf die traditionelle Landwirtschaft zu minimieren sowie Transportzeiten und -kosten durch die Nähe zu den Endverbraucher*innen einzusparen[13][14]. Der Grund, Vertical Farming zu betreiben, ist die stetig wachsende Weltbevölkerung, die weiter steigende Ressourcenknappheit und der Klimawandel[14].
“Bei Vertical Farming hat man im Gegensatz zum herkömmlichen Anbau eher Laborbedingungen”, erzählt Natalie, „das bedeutet, dass die Tageszeiten fest geregelt sind. Alle Umstände sind gleichbleibend, damit das Pflanzenwachstum maximiert wird.”
Damit die Pflanzen im Vertical Farming überleben können, müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, ein Beispiel dafür ist die Umkehrung des Tag-Nacht-Rhythmus. Die Pflanzen werden oft in Hallen herangezogen und bekommen somit kaum bis gar kein Sonnenlicht, deshalb werden LED-Lampen mit bestimmten Frequenzen verwendet, um die Pflanzen mit Licht zu versorgen und sie am Leben zu erhalten. “LED-Lampen haben einen extrem hohen Energiebedarf. Daher ist es sinnvoll, die Beleuchtung in die Nacht zu verschieben, sodass die Energie, die tagsüber beispielsweise über Photovoltaikanlagen gespeichert wurde, genutzt werden kann, um die LEDs zu betreiben”, erklärt uns die Studentin.
Laut Natalie funktioniert Vertical Farming, solange man bestimmte Kriterien berücksichtigt, sehr gut. Jedoch befindet man sich noch am Anfang der Entwicklung. Firmen wie Rewe haben bereits erste Umsetzungen mit Vertical Farming begonnen, um den Konsum der Endverbraucher*innen nachhaltiger zu gestalten[12].
Janne Reuter und Jule Rockhoff
Bildnachweise und Quellen:
Headerbild: © ingenhoven associates / HGEsch
Bildercredits: © ingenhoven associates / HGEsch; ifarm.fi
[1] City-Planer kritisiert Pläne für Düsseldorfer Innenstadt (rp-online.de)
[2] Definition der Green-Building-Zertifizierungssysteme (realestate.bnpparibas.de)
[4] Green Building Engineering (th-koeln.de)
[5] Green Building – Förderung für nachhaltiges Bauen (tgi-partner.de)
[6] Green Building – Leitfaden für nachhaltiges Bauen – Springer
[7] Green Building Zertifikate: „Letztlich sind alle die Guten“ (diepresse.com)
[8] Grüne Architektur: Green Building Design: Nachhaltige Architektur (solaga.de)
[9] Grüne Gebäude die mangelnde Bedeutung von Zertifikaten (dkw-ag.de)
[10] ingenhoven architects: Pressemappe auf Anfrage „Die Grünfassade am Kö-Bogen II“
[11] Neue Innenstadt-Bauten in Düsseldorf spalten die Fachwelt (rp-online.de)
[12] Rewe Green Farming – Supermarkt umgedacht (mediacenter.rewe.de)
[13] Vertical Farming – das Zukunftskonzept der Landwirtschaft (hausvoneden.de)
[14] Vertical Farming (pflanzenforschung.de)
[15] Was bedeutet Nachhaltiges Bauen/ Green Building? (umweltbundesamt.de)
[16] Wissenswertes zu Green Building-Zertifizierungen (deka.de)