Gesundheit in Ghana: Zwei afrikanische Apothekerinnen bei der Arbeit.

GloryHealthCare – Gesundheit für Ghana

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Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Diesen Satz hat Schopenhauer vielleicht nie gesagt, doch mit Sicherheit trifft er für Gloria und Regina, Jo-Ann und Sinit zu, für die Gesundheit oberste Priorität hat. Mit ihrem Start-up wollen die Vier das Gesundheitssystem in Ghana retten.

Dieser Beitrag besteht aus drei Abschnitten. Im Ersten geben uns die Mitglieder des Gesundheits-Start-ups GloryHealthCare ein Interview an der TH Köln. Der zweite Teil dokumentiert den Impact Day, bei dem sie ihre Vision vor Publikum präsentieren. Im dritten und letzten Abschnitt berichten uns die vier Frauen, wie ihre Lösung in Ghana ankam, wo sie als erstes umgesetzt werden soll.

Das Gesundheits-Start-up im Interview

Die Idee

Gloria und ihre Familie gehören der ghanaischen Diaspora in Deutschland an. Ihnen als emigrierten Ghanaer*innen fehlt bislang eine Möglichkeit, ihre Heimatüberweisungen gezielt für Medikamente zu verschicken. Mit den aktuellen Möglichkeiten kann nicht sichergestellt werden, dass das gesendete Geld von den Verwandten oder Bekannten in Ghana für ihre medizinische Versorgung ausgegeben wird, wofür es gedacht ist. Auch für die Empfangenden vor Ort wäre die Situation einfacher, wenn sie nicht Angst vor der Unterstellung haben müssten, das überwiesene Geld anderweitig zu verwenden.

„Meine Vision ist, dieses lange bekannte Problem zu lösen“, erklärt Gloria, „wir wollen eine Infrastruktur aufbauen, mit der die Zweckgebundenheit von Überweisungen gewährleistet ist. Die Menschen in Ghana können dadurch auch ohne Unbehagen nach Geld für Medikamente fragen.“ Oft werde angenommen, ein Familienmitglied sei reich, sobald es in Deutschland lebt. Diese Situation werde mitunter auch ausgenutzt.

DER STATUS QUO IN GHANA

Gloria sitzt auf einem Stuhl und erzählt begeisternd gestikulierend von der Entstehung ihrer Vision.
Gloria ist im Start-up für die Außenrepräsentation verantwortlich.
Regina berichtet, wie sie Gloria kennen lernte.
Regina ist Co-Founderin und Finanzbeauftragte von GloryHealthCare.

Das aktuelle Gesundheitssystem in Ghana ist leider unzureichend. „Nur Arbeitnehmer*innen in Ghana sind gesetzlich krankenversichert“, so Regina, „das Krankensystem wird aber auch über die Mehrwertsteuer mitfinanziert. Dadurch zahlen alle ein, aber nicht alle profitieren davon. Laut der Nothilfe-Organisation Oxfam profitierten 2011 sogar nur 18 % der Bevölkerung vom bestehenden Versicherungssystem[1], der Rest erhielt nicht die nötige Gesundheitsversorgung. 

2021 verfügten dem Ghana Statistical Service zufolge rund zwei Drittel der Bevölkerung über eine Krankenversicherung[2]. Die gesetzliche Krankenversicherung wurde 2003 eingeführt, um die medizinische Grundversorgung abzudecken. Allerdings sind die privaten Ausgaben für darüber hinaus gehende Behandlungen – und speziell Medikamente – bis heute hoch[3]Da Medikamente den Knackpunkt im System darstellen, sind Apotheken die ersten Partnereinrichtungen, mit denen das Start-up zusammenarbeiten möchte.

Der Lösungsansatz von GloryHealthCare

„Modelle, mit denen man Geld in ein anderes Land schicken kann, gibt es am Markt schon. Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Zweckgebundenheit der Überweisungen für gesundheitliche Belange, die wir durch Guthabenkarten und unsere Partnerinstitutionen gewährleisten können“, fasst Jo-Ann zusammen.

Ihre Plattform nennen die Frauen COMESO.

Jo-Ann ist für die Datenverwaltung und Social Media zuständig.

„Our COmmitment to a MEdical SOlution“, erklärt Regina, „es ist unsere Investition in das bestehende Ghanaische Gesundheitssystem.“

Die vier Frauen vergleichen das Angebot mit Zusatzversicherungen, die in Deutschland zur Verfügung stehen, um bestehende Versicherungslücken zu schließen. Diese Möglichkeit soll auch Ghana geboten werden. „Wir sehen uns aber nicht als Versicherung“, stellt Gloria klar, „Wir sind ein Fintech-Start-up mit dem Fokus auf Gesundheit und wollen die Infrastruktur im Land unterstützen.“ Ihre Dienstleistung besteht darin, ein Tool bereitzustellen, mit dem Geld für Medikamente nach Ghana kommt. Bestehende Versicherungen werden dadurch nicht ersetzt, sondern ihre Leistungen ergänzt.

Das Team ist sich sicher, dass COMESO von den Nutzer*innen schnell akzeptiert wird. Ghana ist ein innovatives Land. Eine Studie des Global Innovation Index rankte das Land 2022 auf Platz sieben in Afrika[4]. Der Index umfasst rund 80 Indikatoren, wie zur politischen Entwicklung, zu Bildung und Infrastruktur sowie zum Knowhow in den einzelnen Volkswirtschaften.

Mobile Payment ist bereits weit verbreitet. DataReportal zu Folge hatten 2022 zwei von fünf Ghanaer*innen einen Account für mobile Zahlungen[5]. „Wenn du im Stau stehst“, erzählt Gloria, „und eine Frau kommt vorbei, die Getränke verkauft, kannst du einfach elektronisch mit deinem Handy bezahlen. Deswegen gehen wir davon aus, dass unser Zahlungssystem gut angenommen wird.“

Außerdem sei GloryHealthCare mit Arzneimittelforschern und Apothekenketten im Zielland sowie mit Angehörigen der Diaspora hier in Deutschland gut vernetzt, sagt Gloria. Das sei ebenfalls essenziell für die schnelle Implementierung ihres Systems.

Stronger Together

Auch Ghanaer*innen untereinander soll eine bessere Vernetzung ermöglicht werden. So ist beispielsweise ein Punktesystem geplant, ähnlich wie Payback, berichtet Regina: „Das soll ein zusätzlicher Anreiz sein, sich um seine Gesundheit zu kümmern. Die Punkte können dann wiederum gegen Leistungen unserer Partner eingetauscht oder auch verschenkt werden.“

So ist gegenseitige Unterstützung möglich. „Wir möchten den Leuten die Chance geben, selbst aktiv zu werden“, so Regina weiter, „wir haben eine Lösung, die Leute vor Ort müssen sich aber dafür entscheiden. Es bleibt ihre Verantwortung. Das ist unser Ansatzpunkt: Eure Verantwortung. Eure Entscheidung. Wenn ihr möchtet: Wir sind hier und helfen euch.“

Um diesen Service bieten zu können, müssen die Partner vor Ort aber erst einmal das Produkt kennen. Deshalb reisen die vier in zwei Wochen mit ihrem Prototypen nach Ghana und stellen ihn Apotheker*innen vor.

„Die Reise konnten wir mit Spendengeldern finanzieren“, berichtet Regina stolz und Gloria erklärt: „Sie ist ein Forschungsprojekt, um die Recherche zu tätigen. Wir sind als Start-up in der sogenannten FFF-Phase, Friends, Fools, Family. Wir vergrößern unser Netzwerk, pitchen und fragen: Hey, wir wollen das Ghanaische Gesundheitssystem retten, willst du uns nicht unterstützen?“ So seien die Spendengelder bisher zusammengekommen.

Doch eine Veranstaltung gibt es noch, bevor es nach Ghana geht, so Jo-Ann: „Als nächstes steht der Impact Day der TH Köln auf dem Plan. Da sind wir eingeladen worden, um kurz zu sprechen, und freuen uns, daran teilnehmen zu können.“

Die drei Frauen von Glory Healthcare mit Interviewerin Leonie.
"Wir wollen das bestehende System nicht verändern. Wir wollen nur, dass es funktioniert."

GloryHealthCare beim Impact Day 2022

Der Impact Day der TH Köln findet einmal im Jahr statt und ist ein Event, bei dem Gründer*innen aus dem Kreis der Studierenden ihre Gründungsidee vor Publikum präsentieren können. Im Fall von GloryHealthCare ist es Jo-Ann, die Data & Information Science an der TH studiert. Initiiert wird die Veranstaltung vom Team des StartUpLabs, das mit vielfältigen Angeboten und der Bereitstellung von Räumlichkeiten sämtliche Gründungsaktivitäten unterstützt.

Insgesamt pitchen am Impact Day drei junge Start-ups ihre Vorhaben. Außerdem gibt es weitere Vorträge zu Gründungsthemen, einen Keynote-Speaker von Viva con Agua und im Anschluss zwei Workshops für die Besucher*innen. Durch den Abend führt Patrick Schwarz, betriebswirtschaftlicher Berater für Gründungsthemen an der TH Köln. Der Mevisensaal ist gut gefüllt, es kamen rund 100 Interessierte an den Campus Südstadt.

Solche Events sind gerade für junge Start-ups wichtig, um ihre Idee in die Welt zu tragen und auch Feedback zur Präsentation zu bekommen. Speziell für GloryHealthCare kommt dazu, dass ihr Tool ja auch in Deutschland eingesetzt werden soll. Durch Pitches bei Veranstaltungen wie dem Impact Day können sie für das Problem sensibilisieren und erreichen mit ihrer Lösung direkt mögliche Nutzer*innen.

Reise nach Ghana - Der Test vor Ort

Mitte November 2022 reist das GloryHealthCare-Team nach Ghana, um ihren Prototypen zu testen und mit Leuten aus der Branche sowie ihren zukünftigen Nutzer*innen zu sprechen.

Öffentlichkeitsarbeit im Zielland

„Wir haben die Möglichkeit bekommen, an der University of Ghana in Accra unser Gründungsvorhaben Studierenden aus dem Fachbereich Medizin und Gesundheit vorzustellen“, berichtet Gloria.

„Die Leute waren sehr interessiert und hilfsbereit“, meint Jo-Ann, „Ich habe mich direkt wohlgefühlt“. Neben Studierenden sprechen sie auch mit Verantwortlichen von Apotheken-Ketten, Apotheker*innen und Leuten aus der Medizinbranche, Investor*innen und Berater*innen. Von allen Seiten werde der Bedarf nach einer Lösung wie COMESO bestätigt.

Das Gespräch mit den Leuten vom Entrepreneur-Netzwerk Enactus betont Gloria besonders:

„Die sind im Norden Ghanas, wo es weniger Infrastruktur gibt, dabei, ein  Gesundheitssystem aufzubauen. Und sie sind gerade aktiv auf der Suche nach einem Tool für ihre Bezahlvorgänge.“ Das klingt vielversprechend.

Gloria spricht mit Samuel von Enactus über ihr Startup.
Gloria im Gespräch mit Samuel Opoku von der StartUp Lounge Africa. Diese bietet Beratung zum Beispiel zur Business-Strategie oder zum Projekt Management.

Um sich Input bezüglich ihres Geschäftsmodells zu holen, besuchen die vier Frauen ein Fintech-Netzwerk und stellen auch dort ihre Vision vor. Mit den Reaktionen sind sie sehr zufrieden: „Unser Social Impact wurde direkt erkannt und eben die Möglichkeit, mit unserem Produkt ein Problem zu lösen, das für viele Leute einen Konflikt darstellt.“

Der Prototyp-Test

Das Team rechnete damit, dass in der Testphase je zehn Registrierungen und Bezahlungen stattfinden werden. Letztlich gibt es aber über 300 Registrierungen und über 250 Bezahlungen über COMESO. „Und das in nur neun Tagen mit drei Partnerapotheken!“, freut sich Gloria.

Ziel des Testings ist herauszufinden, ob der Bezahlvorgang reibungslos abläuft, wie die Apotheken-Mitarbeiter*innen mit der Benutzeroberfläche umgehen und welche Funktionalitäten erweitert werden könnten. „Was wir mit unserem Test auch herausgefunden haben ist, dass die Nutzung von E-Mails als Kommunikationsweg in Ghana nicht sinnvoll ist“, stellt Gloria fest. Mails würden viel weniger genutzt als in Deutschland, der Fokus liege mehr auf dem Smartphone. 

Eine ghanaische Apothekerin steht vor einem Bildschirm und loggt sich bei COMESO ein.
Die Mitarbeiterin einer ghanaischen Apotheke nutzt die Plattform COMESO.

„Das haben wir angepasst und bei der Registrierung der Guthabenkarte eine Handynummer hinterlegt, an die automatische SMS gesendet werden können“, erklärt sie.

„Als kleinen Benefit für eine Registrierung erhielten die Neukunden ein Einstiegsguthaben“, erzählt Jo-Ann von ihrer Akquisitions-Strategie. Dieses Guthaben konnte von den Nutzer*innen bereits während des Tests für den Kauf von Medikamenten verwendet werden.

„Dadurch konnten wir den Menschen schon direkt während unserer ersten Testphase helfen“, freut sich Gloria. „Selbstverständlich hätten wir mit einem größeren Budget noch viel mehr erreichen können. Die Gespräche mit Investor*innen sind leider nicht so gut gelaufen“, gibt sie zu, „Aber mit den Mitteln, die wir hatten, haben wir das Beste aus unserem Produkt herausgeholt“.

Die Frauen von Glory Healthcare sitzen um einen Tisch und arbeiten an Laptops.
GloryHealthCare bei der Arbeit.

Der Bedarf nach ihrer Lösung ist da und der Zweck des Startups wird in Ghana gesehen. „Wir wurden verstanden, weil wir ein Problem adressieren, für das noch niemand eine Lösung gefunden hat, die so effektiv und effizient ist wie die, die wir gerade entwickeln“, stellt Gloria fest.

Der Blick nach vorne

„Wir haben in Ghana viele Daten gesammelt, die müssen jetzt ausgewertet werden“, erklärt Jo-Ann. „Dann liegt unser Fokus auf der Weiterentwicklung.“ Im März ist schon die zweite Testphase geplant und der offizielle Launch von COMESO dann für Ende des nächsten Jahres.

Gloria denkt noch weiter: „Wir fangen ja zunächst mit Apotheken an, haben aber auch schon Krankenhäuser und Arztpraxen im Hinterkopf. Und wir wollen mit dem Staat arbeiten. Wir wollen eine Gemeinschaft bilden.“

Die Autor*innen Leonie Brendel und Joshua Zettelmeier

von Leonie Brendel
und Joshua Zettelmeier

Autor*innenbild

Ideen, die die Welt verändern sollen – damit haben sich 14 Studierende des Studienjahrgangs OR21 im Rahmen des Webprojekts 22/23 beschäftigt. Leider bekommen viele soziale Innovationen nicht genug Aufmerksamkeit. Das wollen wir durch unsere Beiträge ändern.

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In unserem Magazin „Einblicke“ veröffentlichen wir Studierende regelmäßig die Ergebnisse unserer Arbeit. 

Gesundheit in Ghana: Zwei afrikanische Apothekerinnen bei der Arbeit.

GloryHealthCare – Gesundheit für Ghana

Ideen, die die Welt verändern sollen – damit haben sich 14 Studierende des Studienjahrgangs OR21 im Rahmen des Webprojekts 22/23 beschäftigt. Leider bekommen viele soziale Innovationen nicht genug Aufmerksamkeit. Das wollen wir durch unsere Beiträge ändern.

Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Diesen Satz hat Schopenhauer vielleicht nie gesagt, doch mit Sicherheit trifft er für Gloria und Regina, Jo-Ann und Sinit zu, für die Gesundheit oberste Priorität hat. Mit ihrem Start-up wollen die Vier das Gesundheitssystem in Ghana retten.

Dieser Beitrag besteht aus drei Abschnitten. Im Ersten geben uns die Mitglieder des Gesundheits-Start-ups GloryHealthCare ein Interview an der TH Köln. Der zweite Teil dokumentiert den Impact Day, bei dem sie ihre Vision vor Publikum präsentieren. Im dritten und letzten Abschnitt berichten uns die vier Frauen, wie ihre Lösung in Ghana ankam, wo sie als erstes umgesetzt werden soll.

Das Gesundheits-Start-up im Interview

Die Idee

Gloria und ihre Familie gehören der ghanaischen Diaspora in Deutschland an. Ihnen als emigrierten Ghanaer*innen fehlt bislang eine Möglichkeit, ihre Heimatüberweisungen gezielt für Medikamente zu verschicken. Mit den aktuellen Möglichkeiten kann nicht sichergestellt werden, dass das gesendete Geld von den Verwandten oder Bekannten in Ghana für ihre medizinische Versorgung ausgegeben wird, wofür es gedacht ist. Auch für die Empfangenden vor Ort wäre die Situation einfacher, wenn sie nicht Angst vor der Unterstellung haben müssten, das überwiesene Geld anderweitig zu verwenden.

„Meine Vision ist, dieses lange bekannte Problem zu lösen“, erklärt Gloria, „wir wollen eine Infrastruktur aufbauen, mit der die Zweckgebundenheit von Überweisungen gewährleistet ist. Die Menschen in Ghana können dadurch auch ohne Unbehagen nach Geld für Medikamente fragen.“ Oft werde angenommen, ein Familienmitglied sei reich, sobald es in Deutschland lebt. Diese Situation werde mitunter auch ausgenutzt.

DER STATUS QUO IN GHANA

Gloria sitzt auf einem Stuhl und erzählt begeisternd gestikulierend von der Entstehung ihrer Vision.
Gloria ist im Start-up für die Außenrepräsentation verantwortlich.
Regina berichtet, wie sie Gloria kennen lernte.
Regina ist Co-Founderin und Finanzbeauftragte von GloryHealthCare.

Das aktuelle Gesundheitssystem in Ghana ist leider unzureichend. „Nur Arbeitnehmer*innen in Ghana sind gesetzlich krankenversichert“, so Regina, „das Krankensystem wird aber auch über die Mehrwertsteuer mitfinanziert. Dadurch zahlen alle ein, aber nicht alle profitieren davon. Laut der Nothilfe-Organisation Oxfam profitierten 2011 sogar nur 18 % der Bevölkerung vom bestehenden Versicherungssystem[1], der Rest erhielt nicht die nötige Gesundheitsversorgung. 

2021 verfügten dem Ghana Statistical Service zufolge rund zwei Drittel der Bevölkerung über eine Krankenversicherung[2]. Die gesetzliche Krankenversicherung wurde 2003 eingeführt, um die medizinische Grundversorgung abzudecken. Allerdings sind die privaten Ausgaben für darüber hinaus gehende Behandlungen – und speziell Medikamente – bis heute hoch[3]Da Medikamente den Knackpunkt im System darstellen, sind Apotheken die ersten Partnereinrichtungen, mit denen das Start-up zusammenarbeiten möchte.

Der Lösungsansatz von GloryHealthCare

„Modelle, mit denen man Geld in ein anderes Land schicken kann, gibt es am Markt schon. Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Zweckgebundenheit der Überweisungen für gesundheitliche Belange, die wir durch Guthabenkarten und unsere Partnerinstitutionen gewährleisten können“, fasst Jo-Ann zusammen.

Ihre Plattform nennen die Frauen COMESO.

Jo-Ann ist für die Datenverwaltung und Social Media zuständig.

„Our COmmitment to a MEdical SOlution“, erklärt Regina, „es ist unsere Investition in das bestehende Ghanaische Gesundheitssystem.“

Die vier Frauen vergleichen das Angebot mit Zusatzversicherungen, die in Deutschland zur Verfügung stehen, um bestehende Versicherungslücken zu schließen. Diese Möglichkeit soll auch Ghana geboten werden. „Wir sehen uns aber nicht als Versicherung“, stellt Gloria klar, „Wir sind ein Fintech-Start-up mit dem Fokus auf Gesundheit und wollen die Infrastruktur im Land unterstützen.“ Ihre Dienstleistung besteht darin, ein Tool bereitzustellen, mit dem Geld für Medikamente nach Ghana kommt. Bestehende Versicherungen werden dadurch nicht ersetzt, sondern ihre Leistungen ergänzt.

Das Team ist sich sicher, dass COMESO von den Nutzer*innen schnell akzeptiert wird. Ghana ist ein innovatives Land. Eine Studie des Global Innovation Index rankte das Land 2022 auf Platz sieben in Afrika[4]. Der Index umfasst rund 80 Indikatoren, wie zur politischen Entwicklung, zu Bildung und Infrastruktur sowie zum Knowhow in den einzelnen Volkswirtschaften.

Mobile Payment ist bereits weit verbreitet. DataReportal zu Folge hatten 2022 zwei von fünf Ghanaer*innen einen Account für mobile Zahlungen[5]. „Wenn du im Stau stehst“, erzählt Gloria, „und eine Frau kommt vorbei, die Getränke verkauft, kannst du einfach elektronisch mit deinem Handy bezahlen. Deswegen gehen wir davon aus, dass unser Zahlungssystem gut angenommen wird.“

Außerdem sei GloryHealthCare mit Arzneimittelforschern und Apothekenketten im Zielland sowie mit Angehörigen der Diaspora hier in Deutschland gut vernetzt, sagt Gloria. Das sei ebenfalls essenziell für die schnelle Implementierung ihres Systems.

Stronger Together

Auch Ghanaer*innen untereinander soll eine bessere Vernetzung ermöglicht werden. So ist beispielsweise ein Punktesystem geplant, ähnlich wie Payback, berichtet Regina: „Das soll ein zusätzlicher Anreiz sein, sich um seine Gesundheit zu kümmern. Die Punkte können dann wiederum gegen Leistungen unserer Partner eingetauscht oder auch verschenkt werden.“

So ist gegenseitige Unterstützung möglich. „Wir möchten den Leuten die Chance geben, selbst aktiv zu werden“, so Regina weiter, „wir haben eine Lösung, die Leute vor Ort müssen sich aber dafür entscheiden. Es bleibt ihre Verantwortung. Das ist unser Ansatzpunkt: Eure Verantwortung. Eure Entscheidung. Wenn ihr möchtet: Wir sind hier und helfen euch.“

Um diesen Service bieten zu können, müssen die Partner vor Ort aber erst einmal das Produkt kennen. Deshalb reisen die vier in zwei Wochen mit ihrem Prototypen nach Ghana und stellen ihn Apotheker*innen vor.

„Die Reise konnten wir mit Spendengeldern finanzieren“, berichtet Regina stolz und Gloria erklärt: „Sie ist ein Forschungsprojekt, um die Recherche zu tätigen. Wir sind als Start-up in der sogenannten FFF-Phase, Friends, Fools, Family. Wir vergrößern unser Netzwerk, pitchen und fragen: Hey, wir wollen das Ghanaische Gesundheitssystem retten, willst du uns nicht unterstützen?“ So seien die Spendengelder bisher zusammengekommen.

Doch eine Veranstaltung gibt es noch, bevor es nach Ghana geht, so Jo-Ann: „Als nächstes steht der Impact Day der TH Köln auf dem Plan. Da sind wir eingeladen worden, um kurz zu sprechen, und freuen uns, daran teilnehmen zu können.“

Die drei Frauen von Glory Healthcare mit Interviewerin Leonie.
"Wir wollen das bestehende System nicht verändern. Wir wollen nur, dass es funktioniert."

GloryHealthCare beim Impact Day 2022

Der Impact Day der TH Köln findet einmal im Jahr statt und ist ein Event, bei dem Gründer*innen aus dem Kreis der Studierenden ihre Gründungsidee vor Publikum präsentieren können. Im Fall von GloryHealthCare ist es Jo-Ann, die Data & Information Science an der TH studiert. Initiiert wird die Veranstaltung vom Team des StartUpLabs, das mit vielfältigen Angeboten und der Bereitstellung von Räumlichkeiten sämtliche Gründungsaktivitäten unterstützt.

Insgesamt pitchen am Impact Day drei junge Start-ups ihre Vorhaben. Außerdem gibt es weitere Vorträge zu Gründungsthemen, einen Keynote-Speaker von Viva con Agua und im Anschluss zwei Workshops für die Besucher*innen. Durch den Abend führt Patrick Schwarz, betriebswirtschaftlicher Berater für Gründungsthemen an der TH Köln. Der Mevisensaal ist gut gefüllt, es kamen rund 100 Interessierte an den Campus Südstadt.

Solche Events sind gerade für junge Start-ups wichtig, um ihre Idee in die Welt zu tragen und auch Feedback zur Präsentation zu bekommen. Speziell für GloryHealthCare kommt dazu, dass ihr Tool ja auch in Deutschland eingesetzt werden soll. Durch Pitches bei Veranstaltungen wie dem Impact Day können sie für das Problem sensibilisieren und erreichen mit ihrer Lösung direkt mögliche Nutzer*innen.

Reise nach Ghana - Der Test vor Ort

Mitte November 2022 reist das GloryHealthCare-Team nach Ghana, um ihren Prototypen zu testen und mit Leuten aus der Branche sowie ihren zukünftigen Nutzer*innen zu sprechen.

Öffentlichkeitsarbeit im Zielland

„Wir haben die Möglichkeit bekommen, an der University of Ghana in Accra unser Gründungsvorhaben Studierenden aus dem Fachbereich Medizin und Gesundheit vorzustellen“, berichtet Gloria.

„Die Leute waren sehr interessiert und hilfsbereit“, meint Jo-Ann, „Ich habe mich direkt wohlgefühlt“. Neben Studierenden sprechen sie auch mit Verantwortlichen von Apotheken-Ketten, Apotheker*innen und Leuten aus der Medizinbranche, Investor*innen und Berater*innen. Von allen Seiten werde der Bedarf nach einer Lösung wie COMESO bestätigt.

Das Gespräch mit den Leuten vom Entrepreneur-Netzwerk Enactus betont Gloria besonders:

„Die sind im Norden Ghanas, wo es weniger Infrastruktur gibt, dabei, ein  Gesundheitssystem aufzubauen. Und sie sind gerade aktiv auf der Suche nach einem Tool für ihre Bezahlvorgänge.“ Das klingt vielversprechend.

Gloria spricht mit Samuel von Enactus über ihr Startup.
Gloria im Gespräch mit Samuel Opoku von der StartUp Lounge Africa. Diese bietet Beratung zum Beispiel zur Business-Strategie oder zum Projekt Management.

Um sich Input bezüglich ihres Geschäftsmodells zu holen, besuchen die vier Frauen ein Fintech-Netzwerk und stellen auch dort ihre Vision vor. Mit den Reaktionen sind sie sehr zufrieden: „Unser Social Impact wurde direkt erkannt und eben die Möglichkeit, mit unserem Produkt ein Problem zu lösen, das für viele Leute einen Konflikt darstellt.“

Der Prototyp-Test

Das Team rechnete damit, dass in der Testphase je zehn Registrierungen und Bezahlungen stattfinden werden. Letztlich gibt es aber über 300 Registrierungen und über 250 Bezahlungen über COMESO. „Und das in nur neun Tagen mit drei Partnerapotheken!“, freut sich Gloria.

Ziel des Testings ist herauszufinden, ob der Bezahlvorgang reibungslos abläuft, wie die Apotheken-Mitarbeiter*innen mit der Benutzeroberfläche umgehen und welche Funktionalitäten erweitert werden könnten. „Was wir mit unserem Test auch herausgefunden haben ist, dass die Nutzung von E-Mails als Kommunikationsweg in Ghana nicht sinnvoll ist“, stellt Gloria fest. Mails würden viel weniger genutzt als in Deutschland, der Fokus liege mehr auf dem Smartphone. 

Eine ghanaische Apothekerin steht vor einem Bildschirm und loggt sich bei COMESO ein.
Die Mitarbeiterin einer ghanaischen Apotheke nutzt die Plattform COMESO.

„Das haben wir angepasst und bei der Registrierung der Guthabenkarte eine Handynummer hinterlegt, an die automatische SMS gesendet werden können“, erklärt sie.

„Als kleinen Benefit für eine Registrierung erhielten die Neukunden ein Einstiegsguthaben“, erzählt Jo-Ann von ihrer Akquisitions-Strategie. Dieses Guthaben konnte von den Nutzer*innen bereits während des Tests für den Kauf von Medikamenten verwendet werden.

„Dadurch konnten wir den Menschen schon direkt während unserer ersten Testphase helfen“, freut sich Gloria. „Selbstverständlich hätten wir mit einem größeren Budget noch viel mehr erreichen können. Die Gespräche mit Investor*innen sind leider nicht so gut gelaufen“, gibt sie zu, „Aber mit den Mitteln, die wir hatten, haben wir das Beste aus unserem Produkt herausgeholt“.

Die Frauen von Glory Healthcare sitzen um einen Tisch und arbeiten an Laptops.
GloryHealthCare bei der Arbeit.

Der Bedarf nach ihrer Lösung ist da und der Zweck des Startups wird in Ghana gesehen. „Wir wurden verstanden, weil wir ein Problem adressieren, für das noch niemand eine Lösung gefunden hat, die so effektiv und effizient ist wie die, die wir gerade entwickeln“, stellt Gloria fest.

Der Blick nach vorne

„Wir haben in Ghana viele Daten gesammelt, die müssen jetzt ausgewertet werden“, erklärt Jo-Ann. „Dann liegt unser Fokus auf der Weiterentwicklung.“ Im März ist schon die zweite Testphase geplant und der offizielle Launch von COMESO dann für Ende des nächsten Jahres.

Gloria denkt noch weiter: „Wir fangen ja zunächst mit Apotheken an, haben aber auch schon Krankenhäuser und Arztpraxen im Hinterkopf. Und wir wollen mit dem Staat arbeiten. Wir wollen eine Gemeinschaft bilden.“

Die Autor*innen Leonie Brendel und Joshua Zettelmeier

von Leonie Brendel
und Joshua Zettelmeier

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