Drone4Parcel5G – Lieferdrohnen als nachhaltige Lösung der Zukunft?

Lieferdrohnen waren lange Zeit eine unrealistische Zukunftsvision. Mittlerweile gibt es aber immer mehr Fördernde der Technik in der Logistik-Branche. Die Unternehmen erhoffen sich so, Lücken im Distributionsnetz zu schließen und bestimmte Lieferungen effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Aber sind Drohnen wirklich nachhaltig? Was macht den Einsatz so komplex, dass Drohnen immer noch nicht für Lieferungen eingesetzt werden? Wird es jemals dazu kommen? Davon ist Lukas Ostermann, Projektleiter eines Forschungsteams für autonome Lieferdrohnen, überzeugt.

In diesem Beitrag sind fünf Auszüge aus unserem Gespräch mit Lukas Ostermann zum Anhören eingegliedert. Wir empfehlen, die jeweilige Audioaufnahme immer nach dem Lesen des darüber gelegenen Textabschnittes anzuhören.

Der Leiter des Drone4Parcel5G-Projekts, Lukas Ostermann (mittig im Bild), während einem Interview

Wenn man von Drohnen spricht, denken viele Menschen zunächst an kleine Propellermaschinen, die mit Hilfe von Fernbedienungen oder per Smartphone gesteuert werden. Seit 2013 die ersten Modelle der beliebten Drohnen auf den Markt kamen, hat sich dieser immens weiterentwickelt. Im Jahr 2022 erreichte der Umsatz im privaten Drohnensegment in Deutschland ein Rekordhoch von 116,10 Millionen Euro [1]. Im Zuge der technischen Entwicklung von Drohnen wurden neben privaten Einsatzzwecken auch andere Anwendungsmöglichkeiten der unbemannten Flugkörper interessant. Vor allem im Distributionssektor erhoffen sich viele Unternehmen, dass Drohnen in Zukunft ein wichtiger Bestandteil von Lieferketten werden. Zu diesen Zwecken führen bereits seit 2014 einige der führenden Distributoren wie Amazon oder DHL Tests durch. Und auch in unserer Region gibt es mit Drone4Parcel5G ein Forschungsprojekt zu diesem Thema.

Das Projekt Drone4parcel5G

Drone4PArcel5G Drohne mit zugeladenem Paket

Bei dem Projekt steht die Verwendung von Lieferdrohnen im industriellen Sektor im Vordergrund. Die Drohnen sollen beispielsweise Bauteile für zeitkritische Reparaturen liefern. Ein anderes forschungsrelevantes Anwendungsfeld ist die Distribution von Arzneimitteln und anderen wichtigen Produkten für Apotheken. Hier sollen vor allem in ländlichen Gebieten Lieferengpässe ausgeschlossen und effizientere Transportwege geschaffen werden. Besonderes Potenzial bieten Lieferdrohnen bei der Lösung des sogenannten Last-Mile-Problems. Die Last Mile bezeichnet den finalen Weg eines Produktes vom Verteilerzentrum zum Endziel. Bei dieser Strecke kommen hohe Kosten und Emissionen auf. Vor allem bei weit abgelegenen Zielen, die fernab jeglicher Ballungszentren liegen, sowie schwer erreichbaren Orten wie Bergen oder Inseln, entstehen durch lange Transportwege ineffiziente Distributionsnetze. Speziell in solchen Gebieten könnten Drohnen eine bessere Lösung als herkömmliche Transportwege bieten. Projektleiter Lukas Ostermann erhofft sich, die „Last Mile“ in Zukunft mit Hilfe von Drohnenlieferungen deutlich effizienter zu gestalten.

Drohnentests von Amazon und dhl

Seit 2014 wird nun schon im Bereich der Lieferdrohnen geforscht. Doch auch wenn große Distributoren wie Amazon, DHL, UPS oder Walmart immer wieder Testreihen durchführen, haben sich Lieferungen per Drohne noch lange nicht nachhaltig durchgesetzt. Es ist fraglich, ob es in Zukunft je dazu kommen wird, dass Pakete an Privathaushalte geliefert werden. 2014 startete das deutsche Unternehmen DHL mit Tests in Bayern, auf Juist und in Tansania[2]. Bei diesen Tests standen vor allem medizinische Einsatzzwecke im Vordergrund. Ohne öffentliche Ankündigungen wurde das Projekt allerdings 2018 wieder eingestellt. Nach Angaben der DHL war eine langfristige Etablierung der Technik nie geplant und das Projekt nach dem Zeitraum beendet. Weitere Tests sind nicht geplant[3].

Auch der Online-Großhändler Amazon forscht unter dem Namen Prime Air an Lieferdrohnen. Seit 2014 forscht das Unternehmen, um die innovative Technik gebrauchstauglich zu machen. Nach einer langen Entwicklungs- und Testphase ging die Liefermethode pünktlich zu Weihnachten 2022 in einen Praxistest. In dem 3500-Einwohner-Ort Lockeford, Kalifornien, können Amazon-Kund*innen nun bei bestimmten Artikeln eine Lieferung per Drohne auswählen. In einem vorgeschriebenen Zeitfenster trifft das Paket dann im Hinterhof oder Garten der Kund*innen ein. Bisher bleibt es bei solchen kleineren Tests, aber viele Unternehmen halten daran fest. Laut Amazon ist das Potenzial im ländlichen Raum enorm und dort sollen die Drohnen in Zukunft zum Einsatz kommen[4].

welche rolle spielt die neue 5g-technologie?

Für Drone4Parcel5G sind zwei Anwendungsfelder für Lieferdrohnen besonders interessant. Zum einen Business-to-Business-Lieferungen, bei denen Lieferungen aus Logistikzentren an Einzelhändler ausgeflogen werden sollen. Zum anderen sind sogenannte „5G-Campusnetze“ für das Projekt interessant.

Ein großer Unterstützer des Projektes ist das Competence Center 5G.NRW. Die Initiative der Bergischen Universität Wuppertal, Universität Duisburg-Essen, TU Dortmund sowie der RWTH Aachen, die NRW zum Leitmarkt der neuen 5G-Technologie entwickeln möchte, fördert das Projekt mit bis zu 1,6 Millionen Euro.

Die neue 5G-Technologie ist eine Erweiterung zum bisherigen Mobilfunkstandard 4G (LTE). Da in der heutigen Zeit der Datenverkehr immer größere Dimensionen annimmt, braucht das Mobilfunknetz genügend Kapazitäten, um Datentransfers schnellstmöglich und zuverlässig zu bearbeiten. Der wichtigste Aspekt in der 5G-Technologie ist die Kommunikation von Menschen mit Maschinen, sowie die Kommunikation von Maschinen untereinander. 5G biete die technische Grundlage für eine einheitliche Kommunikation aller beteiligten Maschinen und Geräte, so dass diese sich permanent gegenseitig Informationen zukommen lassen können.. So sollen im Praxisfall beispielsweise Kollisionen von autonom fahrenden Autos oder autonom fliegenden Lieferdrohnen vermieden werden.

Was genau den 5G-Mobilfunk charakterisiert, beschreibt die T so:

„Weil 5G viel mehr als nur eine Weiterentwicklung im Mobilfunk ist, greift die Bezeichnung als neuer Mobilfunkstandard zu kurz. Die Anforderungen an die zukünftige Netzinfrastruktur sind komplex. Das 5G-Netz ist jetzt bereits die Grundlage für eine Vielzahl von Anwendungen, bei denen es im weitesten Sinne vor allem um Datenkommunikation geht. Und in Zukunft wird sich das noch verstärken. Deshalb lässt sich 5G auch besser als neuer Kommunikationsstandard klassifizieren.“ [5]

Eines der vielversprechendsten Anwendungsfelder für Lieferdrohnen sind sogenannte Campusnetze, die mit Hilfe der neuen 5G Technologie errichtet werden können. Ein 5G-Campusnetz ist ein „geografisch begrenztes, lokales, für besondere Anforderungen wie industrielle Kommunikation angepasstes Mobilfunknetz“. [6]

Für Drohnen bietet so ein Umfeld die idealen Bedingungen, um sicher autonom fliegen zu können. Beispielsweise können Lieferdrohnen so auf dem Produktionsgelände eines Industrieunternehmens autonom Logistikaufgaben übernehmen. Sie sind voll in das Netzwerk des gesamten Standortes eingebunden und können die Effizienz im Produktionsalltag mit schnelleren und kürzeren Lieferwegen und weniger Personalaufwand enorm steigern.

Einer der Projektpartner von Drone4Parcel5G ist die Apothekergenossenschaft Noweda. Für sie wäre eine innovative Distributionslösung für Medikamente interessant. Da Drohnenlieferungen an Privathaushalte noch nicht massentauglich sind, hat Drone4Parcel5G einen Lösungsansatz entwickelt, bei dem Arzneimittel aus Verteilerzentren an Apotheken in ländlichen Gebieten geliefert werden und so die bestmögliche Versorgung der Endkunden gewährleistet sein soll.

In Zukunft sollen im Zuge des Projektes konzipierte Auffangstationen dafür sorgen, dass Medikamente von Großhändlern autonom per Drohne an örtliche Apotheken geliefert werden können. Diese Auffangstationen wurden entwickelt, damit die Pakete sicher an ihrem Ziel landen können, ohne Personen oder Güter im Landungsbereich zu gefährden. Außerdem sollen die Auffangstationen zukünftig am Zielort an autonome Weiterverarbeitungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Förderbänder, angeschlossen werden können.

Drohnenauffangstation

Was ist erlaubt?

Autonome Flüge von Drohnen sind zum jetzigen Zeitpunkt, außer in seltenen Ausnahmen, noch nicht realisierbar. Ein Überblick über die aktuellen Gesetze zeigt auf, welche Hürden den Drohnen noch im Weg stehen:

  • Drohnen müssen mindestens 100 Meter seitlichen Abstand halten zu: Menschenansammlungen, Einsatzgebieten der Polizei und Feuerwehr, Autobahnen, öffentlichen Einrichtungen
  • Datenschutz: Drohnen mit Kameras dürfen nicht über Wohngrundstücke fliegen
  • Maximale Flughöhe von 120 Meter darf nicht überschritten werden, um nicht in den Flugraum von Flugzeugen einzudringen
  • Die Drohne muss sich jederzeit innerhalb der Sichtweite der Pilot*innen befinden, generell sind autonom fliegende Drohnen noch nicht erlaubt. Zu Forschungszwecken und mit besonderen Genehmigungen kann eine Erlaubnis erlangt werden, für alltägliche Lieferungen fehlt bis dato ein Gesetzesgrundlage. Ein möglicher Kompromiss wäre die Überwachung von einem Piloten aus einem Kontrollraum. In diesem Szenario würden ausgebildete Pilot*innen beispielsweise bis zu sechs Drohnen gleichzeitig überwachen und könnten im Notfall per Remote-Steuerung die Drohne manuell fliegen [7].

Solange diese Gesetzte gelten und nicht erweitert werden, ist es sehr unrealistisch, dass Drohnen in naher Zukunft über unsere Köpfe hinweg Apotheken beliefern. Eine Genehmigung könnte so beispielsweise schon auf Grund einer nahliegenden Polizeistation abgelehnt werden.

Bei Lieferungen innerhalb von Campusnetzen sieht das anders aus. Eine neue EU-Verordnung bietet ab dem 26.01.2023 die Möglichkeit, sogenannte „U-Space“-Gebiete zu definieren. In diesen Gebieten können Drohnen regelmäßig automatisiert und außerhalb der Sichtweite von Pilot*innen betrieben werden[8]. Das eröffnet vielen Unternehmen die Möglichkeit, Drohnen in den alltäglichen Betrieb einzubauen. Für Drone4Parcel5G ist ein „U-Space“ nicht direkt von Interesse, da auf einem eigenen Testfeld bereits alle Voraussetzungen für Testflüge erfüllt worden sind. Für das Forschungsfeld ist die Etablierung von Gesetzen, die autonome Einsätze von Drohnen unter bestimmten Rahmenbedingungen wie dem „U-Space“ genehmigen, aber ein großer Fortschritt.

Gemeinsam mit der Firma Koerschulte + Werkverein arbeiten die Beteiligten des Projektes bereits an Lösungen, um die Distribution von zeitkritischen Ersatzteilen oder Werkzeugen zu revolutionieren. Mit Drohnen könnten so zum Beispiel bald deutlich effizientere Abläufe bei Instandhaltungen und Reparaturen von wichtigen Maschinen erreicht werden. Zu diesem Zweck fanden bereits mehrere Tests auf dem Firmengelände statt, die Drohne wurde allerdings noch von einem Piloten gesteuert, da das System zum jetzigen Forschungsstand noch nicht für einen autonomen Flug in der Öffentlichkeit bereit ist.

Der Testflug in Bildern

Sind Drohnen Gefährlich?

Bei all den Chancen, die sich durch die innovative Technik bieten, gilt es zu beachten, dass die Forschung vor allem Lösungen in Bezug auf die Sicherheit der Drohnen liefern muss. Nach Aussagen des Projektleiters Lukas Ostermann stehen Sicherheitsaspekte von Lieferdrohnen an erster Stelle. Es muss gewährleistet werden, dass Drohnen nicht kollidieren. Zudem bleibt ein gewisses Restrisiko bei autonomen Flügen immer bestehen, die Frage der Haftung bei Systemfehlern ist auch noch nicht hinreichend geklärt. Was passiert, wenn eine Drohne abstürzt und einen Menschen verletzt? Laut Ostermann sind dies zentrale Aspekte, die bei dem Projekt weiter erforscht werden sollen.

 Zudem bleibt abzuwarten, ob die Drohnen bei allen positiven Aspekten wie der Effizienzsteigerung in der Last-Mile oder der Versorgung Bedürftiger mit Medikamenten, nicht auch unabsehbare negative Auswirkungen haben können. Es gibt beispielsweise noch keine Daten, wie die Tierwelt auf die gänzlich neue Technik reagiert, die in ihren Lebensraum eindringt. Forschungsergebnisse zu diesem Thema fehlen bis dato gänzlich.

Ein wenig Geduld noch

Die Herausforderungen sind groß, aber durch die dynamische Entwicklung von Gesetzen in den letzten Jahren sowie den technischen Fortschritten in der Mobilfunkbranche werden die Einsatzgebiete von Lieferdrohnen immer diverser. Dank der neuen „U-Space“-Gebiete, die eine Grundlage für die Integration von Drohnen in bestimmte Arbeitsumfelder ermöglichen, werden in Zukunft vor allem in industriellen Einsatzgebieten immer mehr der unbemannten Flugkörper zum Einsatz kommen.

Bis Lieferungen für Geschäfte oder sogar für Endkund*innen möglich sind, ist es hingegen noch ein weiter Weg. Zu viele Gesetze und Sicherheitsbedenken machen solche Auslieferungen zurzeit noch unmöglich. Ob es in Zukunft dazu kommen wird, ist vor allem wegen der schwer einzuschätzenden Risiken für Mensch und Tier zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig zu beantworten.

FABIENNE VOIGT UND NOAH FEICHTER

Ideen, die die Welt verändern sollen – damit haben sich 14 Studierende des Studienjahrgangs OR21 im Rahmen des Webprojekts 22/23 beschäftigt. Leider bekommen viele soziale Innovationen nicht genug Aufmerksamkeit. Das wollen wir durch unsere Beiträge ändern.

Wenn du alle Beiträge aus diesem Projekt sehen willst, klicke auf die Kategorie:

Folgende Schlagwörter finden wir aus dem Redaktionsteam für diesen Beitrag relevant: 

In unserem Magazin „Einblicke“ veröffentlichen wir Studierende regelmäßig die Ergebnisse unserer Arbeit. 

Drone4Parcel5G – Lieferdrohnen als nachhaltige Lösung der Zukunft?

Ideen, die die Welt verändern sollen – damit haben sich 14 Studierende des Studienjahrgangs OR21 im Rahmen des Webprojekts 22/23 beschäftigt. Leider bekommen viele soziale Innovationen nicht genug Aufmerksamkeit. Das wollen wir durch unsere Beiträge ändern.

Lieferdrohnen waren lange Zeit eine unrealistische Zukunftsvision. Mittlerweile gibt es aber immer mehr Fördernde der Technik in der Logistik-Branche. Die Unternehmen erhoffen sich so, Lücken im Distributionsnetz zu schließen und bestimmte Lieferungen effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Aber sind Drohnen wirklich nachhaltig? Was macht den Einsatz so komplex, dass Drohnen immer noch nicht für Lieferungen eingesetzt werden? Wird es jemals dazu kommen? Davon ist Lukas Ostermann, Projektleiter eines Forschungsteams für autonome Lieferdrohnen, überzeugt.

In diesem Beitrag sind fünf Auszüge aus unserem Gespräch mit Lukas Ostermann zum Anhören eingegliedert. Wir empfehlen, die jeweilige Audioaufnahme immer nach dem Lesen des darüber gelegenen Textabschnittes anzuhören.

Der Leiter des Drone4Parcel5G-Projekts, Lukas Ostermann (mittig im Bild), während einem Interview

Wenn man von Drohnen spricht, denken viele Menschen zunächst an kleine Propellermaschinen, die mit Hilfe von Fernbedienungen oder per Smartphone gesteuert werden. Seit 2013 die ersten Modelle der beliebten Drohnen auf den Markt kamen, hat sich dieser immens weiterentwickelt. Im Jahr 2022 erreichte der Umsatz im privaten Drohnensegment in Deutschland ein Rekordhoch von 116,10 Millionen Euro [1]. Im Zuge der technischen Entwicklung von Drohnen wurden neben privaten Einsatzzwecken auch andere Anwendungsmöglichkeiten der unbemannten Flugkörper interessant. Vor allem im Distributionssektor erhoffen sich viele Unternehmen, dass Drohnen in Zukunft ein wichtiger Bestandteil von Lieferketten werden. Zu diesen Zwecken führen bereits seit 2014 einige der führenden Distributoren wie Amazon oder DHL Tests durch. Und auch in unserer Region gibt es mit Drone4Parcel5G ein Forschungsprojekt zu diesem Thema.

Das Projekt Drone4parcel5G

Drone4PArcel5G Drohne mit zugeladenem Paket

Bei dem Projekt steht die Verwendung von Lieferdrohnen im industriellen Sektor im Vordergrund. Die Drohnen sollen beispielsweise Bauteile für zeitkritische Reparaturen liefern. Ein anderes forschungsrelevantes Anwendungsfeld ist die Distribution von Arzneimitteln und anderen wichtigen Produkten für Apotheken. Hier sollen vor allem in ländlichen Gebieten Lieferengpässe ausgeschlossen und effizientere Transportwege geschaffen werden. Besonderes Potenzial bieten Lieferdrohnen bei der Lösung des sogenannten Last-Mile-Problems. Die Last Mile bezeichnet den finalen Weg eines Produktes vom Verteilerzentrum zum Endziel. Bei dieser Strecke kommen hohe Kosten und Emissionen auf. Vor allem bei weit abgelegenen Zielen, die fernab jeglicher Ballungszentren liegen, sowie schwer erreichbaren Orten wie Bergen oder Inseln, entstehen durch lange Transportwege ineffiziente Distributionsnetze. Speziell in solchen Gebieten könnten Drohnen eine bessere Lösung als herkömmliche Transportwege bieten. Projektleiter Lukas Ostermann erhofft sich, die „Last Mile“ in Zukunft mit Hilfe von Drohnenlieferungen deutlich effizienter zu gestalten.

Drohnentests von Amazon und dhl

Seit 2014 wird nun schon im Bereich der Lieferdrohnen geforscht. Doch auch wenn große Distributoren wie Amazon, DHL, UPS oder Walmart immer wieder Testreihen durchführen, haben sich Lieferungen per Drohne noch lange nicht nachhaltig durchgesetzt. Es ist fraglich, ob es in Zukunft je dazu kommen wird, dass Pakete an Privathaushalte geliefert werden. 2014 startete das deutsche Unternehmen DHL mit Tests in Bayern, auf Juist und in Tansania[2]. Bei diesen Tests standen vor allem medizinische Einsatzzwecke im Vordergrund. Ohne öffentliche Ankündigungen wurde das Projekt allerdings 2018 wieder eingestellt. Nach Angaben der DHL war eine langfristige Etablierung der Technik nie geplant und das Projekt nach dem Zeitraum beendet. Weitere Tests sind nicht geplant[3].

Auch der Online-Großhändler Amazon forscht unter dem Namen Prime Air an Lieferdrohnen. Seit 2014 forscht das Unternehmen, um die innovative Technik gebrauchstauglich zu machen. Nach einer langen Entwicklungs- und Testphase ging die Liefermethode pünktlich zu Weihnachten 2022 in einen Praxistest. In dem 3500-Einwohner-Ort Lockeford, Kalifornien, können Amazon-Kund*innen nun bei bestimmten Artikeln eine Lieferung per Drohne auswählen. In einem vorgeschriebenen Zeitfenster trifft das Paket dann im Hinterhof oder Garten der Kund*innen ein. Bisher bleibt es bei solchen kleineren Tests, aber viele Unternehmen halten daran fest. Laut Amazon ist das Potenzial im ländlichen Raum enorm und dort sollen die Drohnen in Zukunft zum Einsatz kommen[4].

welche rolle spielt die neue 5g-technologie?

Für Drone4Parcel5G sind zwei Anwendungsfelder für Lieferdrohnen besonders interessant. Zum einen Business-to-Business-Lieferungen, bei denen Lieferungen aus Logistikzentren an Einzelhändler ausgeflogen werden sollen. Zum anderen sind sogenannte „5G-Campusnetze“ für das Projekt interessant.

Ein großer Unterstützer des Projektes ist das Competence Center 5G.NRW. Die Initiative der Bergischen Universität Wuppertal, Universität Duisburg-Essen, TU Dortmund sowie der RWTH Aachen, die NRW zum Leitmarkt der neuen 5G-Technologie entwickeln möchte, fördert das Projekt mit bis zu 1,6 Millionen Euro.

Die neue 5G-Technologie ist eine Erweiterung zum bisherigen Mobilfunkstandard 4G (LTE). Da in der heutigen Zeit der Datenverkehr immer größere Dimensionen annimmt, braucht das Mobilfunknetz genügend Kapazitäten, um Datentransfers schnellstmöglich und zuverlässig zu bearbeiten. Der wichtigste Aspekt in der 5G-Technologie ist die Kommunikation von Menschen mit Maschinen, sowie die Kommunikation von Maschinen untereinander. 5G biete die technische Grundlage für eine einheitliche Kommunikation aller beteiligten Maschinen und Geräte, so dass diese sich permanent gegenseitig Informationen zukommen lassen können.. So sollen im Praxisfall beispielsweise Kollisionen von autonom fahrenden Autos oder autonom fliegenden Lieferdrohnen vermieden werden.

Was genau den 5G-Mobilfunk charakterisiert, beschreibt die T so:

„Weil 5G viel mehr als nur eine Weiterentwicklung im Mobilfunk ist, greift die Bezeichnung als neuer Mobilfunkstandard zu kurz. Die Anforderungen an die zukünftige Netzinfrastruktur sind komplex. Das 5G-Netz ist jetzt bereits die Grundlage für eine Vielzahl von Anwendungen, bei denen es im weitesten Sinne vor allem um Datenkommunikation geht. Und in Zukunft wird sich das noch verstärken. Deshalb lässt sich 5G auch besser als neuer Kommunikationsstandard klassifizieren.“ [5]

Eines der vielversprechendsten Anwendungsfelder für Lieferdrohnen sind sogenannte Campusnetze, die mit Hilfe der neuen 5G Technologie errichtet werden können. Ein 5G-Campusnetz ist ein „geografisch begrenztes, lokales, für besondere Anforderungen wie industrielle Kommunikation angepasstes Mobilfunknetz“. [6]

Für Drohnen bietet so ein Umfeld die idealen Bedingungen, um sicher autonom fliegen zu können. Beispielsweise können Lieferdrohnen so auf dem Produktionsgelände eines Industrieunternehmens autonom Logistikaufgaben übernehmen. Sie sind voll in das Netzwerk des gesamten Standortes eingebunden und können die Effizienz im Produktionsalltag mit schnelleren und kürzeren Lieferwegen und weniger Personalaufwand enorm steigern.

Einer der Projektpartner von Drone4Parcel5G ist die Apothekergenossenschaft Noweda. Für sie wäre eine innovative Distributionslösung für Medikamente interessant. Da Drohnenlieferungen an Privathaushalte noch nicht massentauglich sind, hat Drone4Parcel5G einen Lösungsansatz entwickelt, bei dem Arzneimittel aus Verteilerzentren an Apotheken in ländlichen Gebieten geliefert werden und so die bestmögliche Versorgung der Endkunden gewährleistet sein soll.

In Zukunft sollen im Zuge des Projektes konzipierte Auffangstationen dafür sorgen, dass Medikamente von Großhändlern autonom per Drohne an örtliche Apotheken geliefert werden können. Diese Auffangstationen wurden entwickelt, damit die Pakete sicher an ihrem Ziel landen können, ohne Personen oder Güter im Landungsbereich zu gefährden. Außerdem sollen die Auffangstationen zukünftig am Zielort an autonome Weiterverarbeitungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Förderbänder, angeschlossen werden können.

Drohnenauffangstation

Was ist erlaubt?

Autonome Flüge von Drohnen sind zum jetzigen Zeitpunkt, außer in seltenen Ausnahmen, noch nicht realisierbar. Ein Überblick über die aktuellen Gesetze zeigt auf, welche Hürden den Drohnen noch im Weg stehen:

  • Drohnen müssen mindestens 100 Meter seitlichen Abstand halten zu: Menschenansammlungen, Einsatzgebieten der Polizei und Feuerwehr, Autobahnen, öffentlichen Einrichtungen
  • Datenschutz: Drohnen mit Kameras dürfen nicht über Wohngrundstücke fliegen
  • Maximale Flughöhe von 120 Meter darf nicht überschritten werden, um nicht in den Flugraum von Flugzeugen einzudringen
  • Die Drohne muss sich jederzeit innerhalb der Sichtweite der Pilot*innen befinden, generell sind autonom fliegende Drohnen noch nicht erlaubt. Zu Forschungszwecken und mit besonderen Genehmigungen kann eine Erlaubnis erlangt werden, für alltägliche Lieferungen fehlt bis dato ein Gesetzesgrundlage. Ein möglicher Kompromiss wäre die Überwachung von einem Piloten aus einem Kontrollraum. In diesem Szenario würden ausgebildete Pilot*innen beispielsweise bis zu sechs Drohnen gleichzeitig überwachen und könnten im Notfall per Remote-Steuerung die Drohne manuell fliegen [7].

Solange diese Gesetzte gelten und nicht erweitert werden, ist es sehr unrealistisch, dass Drohnen in naher Zukunft über unsere Köpfe hinweg Apotheken beliefern. Eine Genehmigung könnte so beispielsweise schon auf Grund einer nahliegenden Polizeistation abgelehnt werden.

Bei Lieferungen innerhalb von Campusnetzen sieht das anders aus. Eine neue EU-Verordnung bietet ab dem 26.01.2023 die Möglichkeit, sogenannte „U-Space“-Gebiete zu definieren. In diesen Gebieten können Drohnen regelmäßig automatisiert und außerhalb der Sichtweite von Pilot*innen betrieben werden[8]. Das eröffnet vielen Unternehmen die Möglichkeit, Drohnen in den alltäglichen Betrieb einzubauen. Für Drone4Parcel5G ist ein „U-Space“ nicht direkt von Interesse, da auf einem eigenen Testfeld bereits alle Voraussetzungen für Testflüge erfüllt worden sind. Für das Forschungsfeld ist die Etablierung von Gesetzen, die autonome Einsätze von Drohnen unter bestimmten Rahmenbedingungen wie dem „U-Space“ genehmigen, aber ein großer Fortschritt.

Gemeinsam mit der Firma Koerschulte + Werkverein arbeiten die Beteiligten des Projektes bereits an Lösungen, um die Distribution von zeitkritischen Ersatzteilen oder Werkzeugen zu revolutionieren. Mit Drohnen könnten so zum Beispiel bald deutlich effizientere Abläufe bei Instandhaltungen und Reparaturen von wichtigen Maschinen erreicht werden. Zu diesem Zweck fanden bereits mehrere Tests auf dem Firmengelände statt, die Drohne wurde allerdings noch von einem Piloten gesteuert, da das System zum jetzigen Forschungsstand noch nicht für einen autonomen Flug in der Öffentlichkeit bereit ist.

Der Testflug in Bildern

Sind Drohnen Gefährlich?

Bei all den Chancen, die sich durch die innovative Technik bieten, gilt es zu beachten, dass die Forschung vor allem Lösungen in Bezug auf die Sicherheit der Drohnen liefern muss. Nach Aussagen des Projektleiters Lukas Ostermann stehen Sicherheitsaspekte von Lieferdrohnen an erster Stelle. Es muss gewährleistet werden, dass Drohnen nicht kollidieren. Zudem bleibt ein gewisses Restrisiko bei autonomen Flügen immer bestehen, die Frage der Haftung bei Systemfehlern ist auch noch nicht hinreichend geklärt. Was passiert, wenn eine Drohne abstürzt und einen Menschen verletzt? Laut Ostermann sind dies zentrale Aspekte, die bei dem Projekt weiter erforscht werden sollen.

 Zudem bleibt abzuwarten, ob die Drohnen bei allen positiven Aspekten wie der Effizienzsteigerung in der Last-Mile oder der Versorgung Bedürftiger mit Medikamenten, nicht auch unabsehbare negative Auswirkungen haben können. Es gibt beispielsweise noch keine Daten, wie die Tierwelt auf die gänzlich neue Technik reagiert, die in ihren Lebensraum eindringt. Forschungsergebnisse zu diesem Thema fehlen bis dato gänzlich.

Ein wenig Geduld noch

Die Herausforderungen sind groß, aber durch die dynamische Entwicklung von Gesetzen in den letzten Jahren sowie den technischen Fortschritten in der Mobilfunkbranche werden die Einsatzgebiete von Lieferdrohnen immer diverser. Dank der neuen „U-Space“-Gebiete, die eine Grundlage für die Integration von Drohnen in bestimmte Arbeitsumfelder ermöglichen, werden in Zukunft vor allem in industriellen Einsatzgebieten immer mehr der unbemannten Flugkörper zum Einsatz kommen.

Bis Lieferungen für Geschäfte oder sogar für Endkund*innen möglich sind, ist es hingegen noch ein weiter Weg. Zu viele Gesetze und Sicherheitsbedenken machen solche Auslieferungen zurzeit noch unmöglich. Ob es in Zukunft dazu kommen wird, ist vor allem wegen der schwer einzuschätzenden Risiken für Mensch und Tier zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig zu beantworten.

FABIENNE VOIGT UND NOAH FEICHTER

Mehr News lesen?

Wähle deinen Jahrgang. Du kannst den Kalender im Browser öffnen oder mit deinem Google-Kalender synchronisieren.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner